Wie ich meinen Kunden richtig Aufwärme und warum ein 10-Minuten-Warm-up auf dem Laufband nicht ausreicht. Wie sieht ein traditionelles Aufwärmprogramm in einem Fitnessstudio oft aus? Genau – man beginnt mit zehn Minuten auf einem klassischen Ausdauergerät. Um den Körper im Sinne des Wortes „Warm-up“ aufzuwärmen, ist das auch völlig in Ordnung. Als Trainer sollten wir allerdings mehr von einem „Warm-up“ erwarten.

Um mit einem konkreten Beispiel zu beginnen: Häufig verbringen die meisten Menschen den ganzen Tag im Sitzen. Die daraus resultierende Hüftextension ist dabei die denkbar ungünstigste Position, um unsere Glutealmuskeln (Gesäßmuskel) zu aktivieren. Wenn wir aber gehen (oder gar laufen/joggen) wollen, müssen unsere Glutealmuskeln das Becken aufrichten und stabilisieren. Steigen wir dann also auf ein Laufband, um uns zehn Minuten „warmzulaufen“, bringen wir unserem Körper lediglich eines bei: wie er am besten kompensieren kann, um sich auch ohne Glutealmuskeln möglichst gut fortzubewegen. Doch genau das wollen wir als Trainer vermeiden.

Ähnlich sieht es bei individuellen Defiziten (Dysfunktionen) aus, die jeder Mensch im Laufe seines Lebens z.B. durch Vorverletzungen oder jahrelange fehlerhafte Körperhaltung entwickelt. Das heißt, dass der Körper nicht mehr so funktioniert, wie es ursprünglich einmal von der Natur vorgesehen war. Es fehlt an Beweglichkeit in Muskelketten, an Mobilität in Gelenken, an Stabilität oder an motorischer Kontrolle in Schultern, Hüften, dem unteren Rücken oder den Knien. Häufig sind genau diese De zite der Beginn von Schmerzen oder Abnutzungserscheinungen, z.B. an den Bandscheiben oder den Gelenkknorpeln.

Die richtigen Übungen integrieren

Um fehlerhafte Bewegungsabläufe zu korrigieren, arbeiten viele Therapeuten neben manualtherapeutischen Interventionen in der Regel mit „korrigierenden Übungen“ (engl.: corrective exercises), um Defizite auszugleichen und Fehlstellungen zu beheben. Welche Bereiche bei einem Kunden tatsächlich eingeschränkt sind, kann durch Untersuchungen und Einstiegstests (z.B. mit dem Functional Movement Screen) festgestellt werden.

Ein entsprechendes Aufwärmprogramm, das auf dem Prinzip der korrigierenden Übungen basiert, sollte dann systematisch aufgebaut sein und die untenstehenden Bausteine enthalten, um eine neutrale Körperhaltung als optimale Ausgangsposition zu erreichen:

1. Übungen zur Mobilisierung (gelenkbezogen),
2. Übungen zur Verbesserung der Beweglichkeit (myofas- zial),
3. Übungen zur Aktivierung und Förderung motorischer Kontrolle und Stabilität (isoliert),
4. Basisstrategien für bessere Bewegungsmuster. 

Schritt 1: Mobilität & Beweglichkeit

Jedes Gelenk hat einen natürlichen Bewegungsradius, welcher im Englischen mit dem Begriff „range of motion“ bezeichnet wird. Ob dieser Radius in einem natürlichen Ausmaß möglich ist, hängt – vereinfacht gesagt – von der Beschaffenheit der Gelenkkapsel ab (Mobilität) und wie beweglich die Kombination aus Muskulatur und Faszien- gewebe ist (Beweglichkeit). Wenn wir Beweglichkeit wiederherstellen, folgen wir dabei einem Naturgesetz: Kinder kommen sehr beweglich auf die Welt und müssen sich nach und nach ihre Stabilität buchstäblich von Kopf bis Fuß erarbeiten. Darüber hinaus ergibt sich aus einem erhöhten Bewegungsradius eine bessere Propriozeption (Körperwahrnehmung), was wiederum die Körperhaltung und die motorische Kontrolle positiv verändert.

Nach Mobilität & Beweglichkeit folgt Muskelkraft

Die neu erworbene Beweglichkeit in Schultern, Brustwirbelsäule, Hüften und den Sprunggelenken sollte nun genutzt werden und durch Aktivierung der Muskeln von Hüften, Rumpf und Schulterblättern festigen. Da wir bei Beweglichkeit/Mobilität und Aktivierung/Stabilität fast immer sehr zielgerichtet und isoliert an Defiziten arbeiten, wollen wir danach dem Körper wieder zeigen, wie man sich in seiner Gesamtheit bewegt.